Rede_der_K34_Sozialpolitisches_Hearing_der_LH_Kiel_2010

Sehr geehrte Damen und Herren,

Mein Name ist Dirk Hoffmeister, ich bin Mitglied des Vorstandes  der K34, eines Gaardener Künstlerhauses in der Medusastraße.

Sie werden sich sicher fragen, warum ein Vertreter eines Künstlervereins auf einem sozialpolitischen Hearing etwas sagen darf. Das habe ich mich auch gefragt, als ich dazu eingeladen wurde. Herr Sönnichsen konnte mich mit seiner Antwort aufklären, die sowohl ein Lob als auch eine Aufforderung war: Ihm gefiele mein konstruktiv-kritischer Stil im Gaardner Ortsbeirat. In diesem Sinne will ich die folgenden Worte an sie richten, aber zunächst möchte ich kurz unseren Verein vorstellen.

In den letzten 3 Jahren haben wir viel für die Destigmatisierung Gaardens als Drogen, Gewalt und Elend-verseuchten Schandfleck von Kiel getan. Hunderte, wenn nicht gar tausende von Gästen haben wir aus dem Westen in unseren Stadtteil gelockt und Ihnen kulturelle Erlebnisse dargeboten, die allen in lebhafter Erinnerung blieben. Viele dieser Gäste waren seit Jahren nicht mehr oder gar noch nie vorher in Gaarden gewesen. Der Kulturbetrieb der K34 hat sich zu einem Publikumsmagnet für Kultur-, Kommunikations- und Politikinteressierte fast aller gesellschaftlicher Schichten aus Ost und West entwickelt. Auf den Veranstaltungen finden Begegnungen statt, werden Ideen diskutiert und weiterentwickelt, Künstler finden neue Wege im Rahmen unseres ganz eigenen Galeriekonzeptes. Was Politik, Verwaltung und Träger seit Jahrzehnten versuchen ist uns gelungen: Ein selbsttragender soziokultureller Raum aus dem Gaardener Bürger heraus sich intensiv um die Entwicklung des Stadtteils sorgen und kümmern ist im Rahmen der K34 zu einem festen Bestandteil Gaardens geworden. Mit einem Budget von 350 Euro im Monat.

Durch ein wenig sachbezogene Hilfe durch den Gaardener Förderverein steht unser Hinterhofausbau kurz vor der Vollendung. In einigen Wochen werden wir unsere Räume um 60 Quadratmeter erweitern, dann haben wir Platz für eine Medienlounge, erweiterte Galerieflächen und eine Kleinkunstbühne für Theater, Konzerte, Lesungen und Filmvorführungen mitten im Herzen Gaardens.

Mit dem Projekt Blogbeirat haben wir lange vor der durch aktuelle politische Ereignisse neu angefachten Debatte über Transparenz und Bürgerbeteiligung ein Medium geschaffen, welches den Gaardener Bürgern die Arbeit des Ortsbeirates als Audiomitschnitt en Detail verfügbar macht. Wir konnten erreichen, daß sich Bürger wieder für die Kommunalpolitik interessieren, und deren Entwicklungspotentiale ausführlich diskutieren, nicht nur in den Räumen der K34.

Für uns sind Politik, Verwaltung und Träger nicht primär Verursacher des Übels in Gaarden, sondern mögliche Kooperationspartner um Gaarden zu einem Stadtteil zu machen, zu dem die Bewohner wieder stehen können. Diese Kooperationsbereitschaft und auch Potenz haben wir in diversen Kooperationsprojekten mit dem Ortsbeirat Gaarden, dem Büro soziale Stadt, diversen Ämtern und Trägern erfolgreich unter Beweis gestellt. Durch all dies hat die K34 mittlerweile eine große Verantwortung für das Schicksal dieses Stadtteils übernommen.

Und ich könnte Ihnen sicher eine ganze Stunde lang Geschichten über den oft etwas surrealen Weg eines soziokulturellen Zentrums durch das Dickicht von Fördermöglichkeiten und Förderhindernissen erzählen. Unser Stil ist allerdings eher das Aufzeigen von Entwicklungspotentialen denn das Jammern über aktuelles oder Vergangenes. Außerdem geht dies einfacher und schneller, in etwa 5 Minuten werde ich damit fertig sein.

Auf dem Trägermarkt herrscht ein knallharter Verdrängungswettbewerb, in dem alternative Strukturen kaum Chancen auf Marktanteile respektive finanzielle Mittel haben. So oft sich professionelle Träger trauen, Hilfe von eben diese ehrenamtlichen Gruppen in Anspruch zu nehmen, so selten ist es Ihnen im Rahmen Ihres Budgets möglich, dies auch pekuniär zu honorieren. Es ist Menschen aus diesen Gruppen nur schwer zu vermitteln, nur für die Ehre Projekte von Trägern zu unterstützen, deren Mitarbeiter ein Gehalt bekommen und in die Rentenversicherung einzahlen, während die eigene Lage prekär bleibt. Sinnvoll und nachhaltig kann eine Kooperation nur auf Basis von zum Beispiel Honorarzahlungen sein. Auch wenn sich auf seiten der Trägerschaft zarte Ansätze zu einem Umdenken bemerkbar machen, so gibt es hier doch ein gewaltiges Entwicklungspotential.

Kommen wir zum Entwicklungspotential Nummer zwei, dem Wirtschaftsbüro und der Kreativwirtschaft. So sich in Gaarden nachhaltig eine stabile Kreativwirtschaft mit hohem Marktpotential entwickeln soll, so benötigt sie als Kreativpool bunte und stabile und auch kooperationswillige Off- und Subkulturen. Jetzt kommen wir zu der Krux an der Geschichte: Subkulturen sind oft nicht kooperationswillig, dies ist ureigene Eigenschaft einer Subkultur.

Hier ergibt sich allerdings nur scheinbar ein Widerspruch. Denn diese Subkulturen müssen gar nicht mit Stadt und Trägern kooperieren um Basis einer neuen Kreativwirtschaft in Gaarden zu werden, sie müssen sich in Gaarden nur wohlfühlen, sich entfalten, agieren und wirken können. Es müssen diesen Subkulturen langfristig Räume zu Verfügung stehen und zwar möglichst nicht im Rahmen von Zwischennutzungskonzepten, die nach Monaten erlöschen, sondern in Form von auch genossenschaftlich organisierten soziokulturellen Aktions- und Wohnräumen, deren Bestand in Jahrzehnten projektiert werden muss.

Zeitlich begrenzte und peinlich genau regulierte Projekte werden den Anforderungen an Subkulturen, die die Basis einer Kreativwirtschaft sein sollen, nicht gerecht.

Diese Vorstufe der Kreativwirtschaft, also Galerien und Künstlerhäuser, Selbsthilfevereine, Untergrundclubs, Konzert und Kleinkunstbühnen und alternative Restaurants werden in Gaarden nicht selbstragend nachhaltig wirtschaftlich arbeiten können. Wo wir beim Kern des zweiten Entwicklungspotentials wären: Die große Giesskanne, mit der man diese Strukturen auf eine sichere finanzielle Basis stellen muss. Diese Investition ist unabdingbar.

Ganz konkret müsste der Hass-Speicher in Gaarden ein Beispiel für ein gerade mit der Off- und Subkultur entwickelten und bespielten soziokulturellen Zentrums sein. Ein Relaunch der Planungen wäre ein sichtbares und wirksames Zeichen für alle Bürger, die bislang Kooperationen mit Verwaltung, Trägern und Politik ablehnen.

Ein drittes Entwicklungspotential ergibt sich aus der Bürgerarbeit. Wir haben ein Konzept entwickelt in dessen Rahmen Menschen nachhaltig an der kulturellen Entwicklung des Stadtteils arbeiten. Nachhaltig auch deshalb, weil diese Arbeit dem Kulturarbeiter ermöglicht sich neue Fertigkeiten anzueignen und Netzwerke aufzubauen. Nachhaltig, weil diese Fertigkeiten und Netzwerke auch nach drei Jahren noch weiterbestehen und ein Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt der sich entwickelnden Kreativwirtschaft sein kann. Ich lade Verwaltung und fortschrittliche Träger ein, mit uns zusammen die Umsetzung dieses Konzept zu planen und zu realisieren.

Wären wir beim vierten Entwicklungspotential, der sozialkulturellen Fraktionierung Gaardens. Gaarden benötigt etwas gemeinsames. Gaarden benötigt ein gemeinsames Medium, in dessen Rahmen allen Gruppen in Gaarden ein Sprachrohr geschaffen und die gegenseitige Perspektivübername ermöglicht wird. Dieses Medium kann und soll Radio Gaarden sein.

Unser neues Redaktionsystem ermöglicht es Gruppen oder Einzelpersonen aus unserer neuen Medienlounge, aus den eigenen Lokalitäten oder von Zuhause aus Radiobeiträge auf Sendung zu bringen. Ein einfacher Internetbrowser, ein Mikrofon und Kreativität reichen völlig aus.

Wir laden alle Gruppen, Träger und Kreative aus Gaarden ein, auf eigenen Sendeplätzen eigene Sendungen zu gestalten und so Gaarden, Kiel und auch dem Rest der Welt den Reichtum der über einhundert Kulturen in Gaarden zu präsentieren.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit

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